In einer gigantischen Pflanzenfärbe-Aktion färbten die Frauen 14 kg reine Schafwolle.
Die Pflanzen wurden -soweit möglich- mit den Frauen auf Spaziergängen gesammelt und für das Färben aufbereitet, es sollten ja Pflanzen aus ihrer unmittelbaren neuen Umgebung sein. So schälten sie ein paar Apfelbaumäste und nahmen Efeu aus ihrem Garten, Frauenmantel aus dem Wald in der Nähe, Birkenblätter, Walnussblätter und -schalen, Zwiebelschalen aus ihrer Küche. Cochenille aus Schildläusen kam aus Indien, auch Indigo für die Blautöne wurde gekauft. Es ergaben sich aus den heimischen Pflanzen viele Abstufungen von Beige bis Zitronengelb, auch Goldgelb. Aus Henna, mit dem die Frauen im Irak traditionell ihre Handflächen färbten, wurde ein prächtiges Orange gewonnen. Dann wurde am Schluss Gelb mit Indigo gemischt, um Grüntöne zu bekommen u.s.w.
Beauftragt durch das Rottweiler Kreissozialamt, arbeitet die Kunsttherapeutin Monika Heidger seit März 2016 mit den Frauen, Kindern und Jugendlichen aus den Kriegsgebieten des Nordirak. Mit malerischen Techniken, Formenzeichnen und Plastizieren tastete sie sich ressourcenorientiert an die Bedürfnisse und handwerklich-gestalterischen Vorlieben der Frauen heran. Nachdem sie ihr Interesse an Textilien, besonders an dem Verarbeiten von Schafwolle entdeckt hatten, stiegen die Frauen intensiv ein und verspannen (mit einer Tellerspindel!) acht Kilogramm Rohwolle. Das war ihnen vertraut, sie erlebten sich in einer befriedigenden, ihnen bekannten, Aktivität.
Die Frauen beteiligten sich, soweit es ihre Kräfte erlaubten. Sie durften natürlich auch gerne nur im Garten sitzen und alles bewundern. Das Staunen und auch die Freude über die Ergebnisse verlebendigte sie innerlich. Auch konnte ein Gefühl für ihre neue Umwelt geweckt werden, indem der Blick für das, was da um sie herum wächst, mehr geöffnet wurde.
Nach nun mittlerweile acht Wochen, sticken diese Frauen mit wachsender Freude Kissen. Teils mit traditionellen kurdischen Mustern, aber auch mit freien Motiven.
Anfangs hörten wir zwar oft- das kann ich nicht, oder das haben wir früher gekonnt, haben jetzt keine Kraft mehr- aber sie lassen sich ermutigen und wollen lernen. Mut und Selbstwertgefühl wachsen.
Spenden als Anschubfinanzierung gesucht
Um Einnahmen zur weiteren Materialbeschaffung zu erzielen, werden im Dezember ausgewählte Kunsthandwerker-Weihnachtsmärkte bestückt. Die erfahrene Wertschätzung ihrer Arbeit und - nicht zuletzt - das dann hoffentlich eingenommene Geld, stellen jetzt schon eine wichtige Motivation dar.
Das Land Baden-Württemberg begrenzte anfänglich die Unterstützung für dieses Kontingent auf drei Jahre. Unser Textilprojekt "Shingal" könnte den Frauen zukünftig eine eigenwirtschaftliche Basis und somit eine Bleibeperspektive eröffnen.
Bisher wurde das Projekt über öffentliche Mittel des Landkreises, Förderung der Landesstiftung Baden-Württemberg und über Spenden finanziert. Bei der sich abzeichnenden Eigendynamik des Projekts, wird eine Anschubfinanzierung für die Gründungsphase einer (Textil-)Manufaktur benötigt, mit der sich die Frauen ihre eigene Existenz aufbauen können.